Wen schaust du an?
Und wer blickt zurück?
Bin ich es, die das letzte Wort spricht?
Oder bist du es, der das Werk vollendet?
Wie viel von mir nimmst du in dir auf?
Und wie viel von dir gibst du hinein?
Kannst du erkennen, wovon ich spreche?
Und kann ich wissen, was du wahrnimmst?
Sieht nicht jeder von uns das,
was bereits in ihm wohnt?
Und wenn du meine Worte liest,
bin dann auch ich bei dir?
Ich ging fort
Ich kam zurück
Dazwischen war
Irgendwo
Nirgendwo
Ich dachte
ich sei
Doch das war nur
ein Traum
Und
wenn ich gestern nicht gewesen bin
dann ist heute mein erster Tag.
Im nächtlich stillen Halbdunkel
Das Bett als einzige Welt
Füsse am Kopf und Kopf am Fuss
Denn verkehrt herum
Ist nichts falsch
Fremde Worte werden zu meinen
Gedanken
Müssen keine Richtung weisen
Keinen Sinn erzeugen
Heute nicht
Dürfen fliessen
Strudeln
Und tropfen
Die Heizung ist schon lange kalt
Die Wärme kommt
Vom Erinnern deiner letzten Worte an mich.
Fotoserie (Auswahl)
Draussen ist es noch hell, doch mein Zimmer ist verdunkelt. Die Vorhänge zu. Meine Glieder sind bleischwer. Meine Augen brennen. In meinen Ohren summt es leise. In meinem Kopf ist Watte. In wenigen Minuten bin ich 60 Stunden am Stück wach. Drei Tage und Zwei Nächte ohne Schlaf. Nachts als einsamer Streuner unterwegs. Am Morgen zurück in den Alltag. Was bedeutet es, nicht zu schlafen? Wenn der Kopf rund um die Uhr arbeitet. Ohne Pause. Wenn der Körper keine Gelegenheit bekommt, sich auszuruhen. Wie fühlt es sich an, als Streuner durch die Stille der Nacht zu wandern? Ziellos. Noch fünf Minuten, dann endet das Experiment Schlaflos. Eine Erfahrung, deren genaue Bedeutung sich mir wohl erst Stück für Stück zeigen wird. Noch ein letzter Blick auf die kleinen Ziffern in der unteren Ecke des Computerbildschirms; sie zeigen genau 21:00 Uhr. 60 Stunden – Zeit ohne Schlaf.
Gute Nacht.
Und nein
du bist
nicht
weit weg
fast
ganz weg
kaum
noch da
nein
kaum noch
weit
fast ganz
da.
Wesen,
ruf!
Ruf, als ob die Welt wichtig wäre!
Geh!
Geh, hör eine Amsel singen!
Lebendig.
Und lern dabei,
wie Wichtigkeit klingt.
Unermüdlich.
Begegnung,
das heisst, nicht Denken.
Im Entdecken der Aufmerksamkeit gewinnt das Dasein.
Gewinnt etwas, was davor nicht da war.
Da Welt
eine Philosophin ist,
zusammengebaut für irdische Wesen,
ist Sinn nur Einbildungskraft.
Wandern heisst,
sie interessant zu finden.
Die Fähigkeit der Neugierde,
die eigene Wahrnehmungsfähigkeit,
führt weit weg vom Weg.
Energie
ist ein Tanz,
zu lernen nur
von einer singenden Amsel.
Sonntagmorgen am Fluss
Wenn die Bäume noch dunkelgrün
Und die Nebelschwaden wie Geister
Wenn nur das Rufen der Krähen
Und das Flügelschlagen der Enten
Dann versuche ich
meine Gedanken am Aufwachen zu hindern.
© Karin Vogt. Alle Rechte vorbehalten.