Karin Vogt


Das Ticken der Uhr - 

das einzige Geräusch.

Und wenn ich nicht atme, 

bin ich unsichtbar

o. T.

 

Der Morgen ist noch weit

Träume werden zu Wolken

Regnen sich in meinen Kopf

Fliessen aus allen Poren

Und ich löse mich auf

In der Weite

Der Zeitlosigkeit

 

Ich weiss

Ich bin 

                  Nicht

Ich

Schlief ich?

 

o. T.

Fotoserie (Auswahl)

 

Lass los!

Sie hört nichts

Nur Rauschen

Puls

 

Lass los!

Nichts

Rauschen

Puls

 

Der Tunnel öffnet sich

Sie rennt

 

Nun sitze ich hier, an diesem Ort, den ich nicht kenne und der mir doch irgendwie so vertraut vorkommt, weil es eben so ein Ort ist, wie all diese Orte. Idylle und Tourismus und Holzhütten und Beton und rustikal und modern und von allem ein bisschen und irgendwie nicht echt. Da sitze ich nun und schaue und dieser klischeehafte Gedanke kommt mir in den Sinn von der Unbedeutsamkeit eines einzelnen Menschen angesichts der Gewalt der Natur. Ich sitze da und schaue die Berge an und irgendwie fühlt es sich eben doch ein bisschen so an, so ganz klein, wie ich da sitze. Und wenn sich jetzt dort oben eine Geröll-Lawine lösen und mich unter sich begraben würde, was würde sich dann ändern? Ja, da sind Menschen, die würden mich wohl vermissen, aber sich auch irgendwann an meine Abwesenheit gewöhnen. Der Mensch ist ja so, dass er sich irgendwann an alles gewöhnt, wenn es nur lange genug andauert. Und ich, ich wäre dann sowieso woanders und dieses Leben nicht mehr meins. 

Solche Gedanken bahnen sich ihren Weg in meinen Kopf, während ich hier sitze und emporschaue zu den kargen Felsmassen. Und beinah’ ist mir, als würden sie noch ein bisschen näher rücken und mich noch kleiner werden lassen. Und gleichzeitig ist da aber doch auch eine gewisse Euphorie, die in mir kribbelt. Ich spüre den kalten Wind in meinem Gesicht und stelle mir vor, wie es sich anfühlen könnte, wenn man ganz da oben ist, ganz oben, so weit, dass man eigentlich schon gar nicht mehr richtig da ist, dass man schon mehr zum Himmel als zur Erde gehört…

 

(Andermatt, September 2019)

Da sind Steine

Da ist Sonne

Da ist Wasser

Und da flimmert und glitzert und funkelt es

Da ist Wind

Und da summen Bienen

Und da zirpen Grillen

Und dann ist da wieder Stille

Und eigentlich wäre doch alles so schön

Und eigentlich wäre doch alles gut

Wenn da kein Morgen 

Und kein Gestern 

Und kein Denken

Und die Zeit einfach still stehen würde

Ohne ein Warum

Ohne ein Danach

Ich bin hier
JETZT

 

Streitgespräch im Zug

 

Ich nehme meine Hand. 

Nur, um mich an jemandem 

festzuhalten. 

Nur, 

um von jemandem gehalten zu werden.

 

Ich setze mich mir gegenüber

und schaue mich kritisch an. 

Du solltest dich nicht selbst

bemitleiden, 

sage ich zu mir. 

Wer tut es denn sonst,

antworte ich. 

Mein Ich mir gegenüber schweigt nur

und rollt mit den Augen. 

 

Wenn da niemand ist, 

der mich festhält, 

falle ich auseinander, 

füge ich hinzu. 

Mein Ich schweigt immer noch

und schaut aus dem Fenster.

Du bist mir ja auch keine Hilfe,

werfe ich ihm 

nun etwas genervt an den Kopf.

Mein Ich grinst mich frech an. 

Warum sollte ich dir helfen,

antwortet es mir,

du hörst ja doch nicht auf mich. 

 

Ich stehe auf und lasse mich allein 

zurück. 

Ja, du hast recht, 

sage ich noch im Weggehen, 

ich habe keine Lust, dir zuzuhören. 

Du sagst mir ja doch nur, 

was ich selbst schon weiss. 

 

 

Stillstand

 

Wenn ich von hier nach draussen blicke

Scheint die Zeit still zu stehen.

Nichts bewegt sich

Ausser dem Rauch

Der unablässig 

Aus den Schornsteinen kriecht.

Es gibt hier keine Menschen

Nur Gestalten.

Fenster

Hinter denen es dunkel ist.

Häuser 

Die tot scheinen

Wäre da nicht der Rauch.

Kalter Rauch

Den sie ausatmen 

Wie Staub eines zerfallenen Lebens. 

Ich bin müde. 

Zeit existiert nicht.